Mit Hans Heer starb ein langjähriges Mitglied des Vorstands der Bruderschaft. Mit seinen Bildern und Artikeln hat er mehr als 50 Jahre lang das Geschehen rund um die Wallfahrt dokumentiert und uns einen großen Schatz an Erinnerungen hinterlassen. Wenn es um die Geschichte der Bruderschaft ging, war er uns immer wieder eine große Stütze, mir persönlich besonders bei der Auswahl der Motive für das Erinnerungsbild an die Wallfahrt. Mögen alle unsere Verstorbenen auf ihrer Fahrt durch das Tor der Ewigkeit von Gottes Liebe gelenkt werden.
Zu den besonderen Momenten der Wallfahrt zählt für mich die Feier der Eucharistie auf dem Kreuzberg. Die Predigt, die im Folgenden abgedruckt ist, will dabei das Thema der Wallfahrt aufgreifen und einen Impuls über die Wallfahrt hinaus geben, für uns alle als Vertiefung unseres letztjährigen Wallfahrtsthemas.
Unsere Wallfahrt steht unter dem Motto „Der Weg mit Jesus ist Weg zum Leben“. Heute früh haben wir gemeinsam die Kreuzwegandacht gebetet und darin des Kreuzestodes Jesu gedacht. Da mag sich für manchen die Frage stellen: Ist das Kreuz wirklich der Weg zum Leben?
Im Evangelium hörten wir gerade von einigen Griechen. Die wollten unbedingt Jesus sehen. Das ist erstaunlich: Diese Leute kommen aus der stolzen und einflussreichen Welt der Griechen, einer Welt voller Heroen und voller Lebensfreude – und sie suchen doch mehr. Sie fragen nach Jesus. Was erwarten sie? Was ist das für eine Sehnsucht in ihren Herzen?
Unwillkürlich frage ich mich: Ist eigentlich in mir auch eine solche Sehnsucht – eine Sehnsucht nach Jesus, nach seiner Nähe, die Sehnsucht ihn zu sehen? Oder bin ich einfach zufrieden mit dem, was ich über ihn weiß. Ich gehöre doch schon längst zu ihm. Genügt das nicht? Jedenfalls: Die Griechen treibt eine Sehnsucht an, sie fragen sich zu Jesus durch. Und sie müssen einige Energie aufwenden und etliche Distanzen überwinden, erst Philippus, dann Philippus mit Andreas zusammen ...aber sie bleiben dran!
Und sie kommenzur rechten Zeit. Jesus selbst sagt: „Die Stunde ist gekommen...“ Aber was Jesus den Griechen und den Umstehenden anzubieten hat, ist keine leichte Kost. Da gibt es keine frommen Reden und keine klugen Lebenskonzepte. Jesus konfrontiert seine Zuhörer vielmehr mit dem Geheimnis seines Lebens. Er spricht vom Verlieren,vom Herschenken seines Lebens. Und dass darin der wahre Gewinn liegt!
Als Verstehensbrücke bietet Jesus ein Bild aus der Natur an: das Bild vom Weizenkorn, das sterben muss und gerade in seinem Sterben und Vergehen die volle Fruchtbarkeit gewinnt.
So ist es auch mit dem Leben Jesu. Er verschenkt es. Das ist schon immer seine Lebensart. Und die wird sich in der vollen Hingabe seines Lebens im Kreuzestod erst richtig zeigen.
Im Kreuz kulminiert alles! Jesus hat dies klar vor Augen. Und er bettelt gar nicht darum, davor bewahrt zu bleiben. Jesus erkennt: Das ist jetzt der Wille Gottes. Das ist jetzt meine Sendung. Dazu sage ich „Ja“!
Und so leuchtet in Jesus Christus, in seiner Lebenshingabe am Kreuz, in seiner Liebe, in der er sich ganz verausgabt, Gott selber auf. Da wird Gottes Liebe offenbar, greifbar. In Jesus Christus wird sie proklamiert als die alles bestimmende, Leben stiftende Macht! Keine leichte Kost! Für die Griechen, die ihn sehen wollen. Für seine Jünger. Auch für uns! Aber eine tiefe Wahrheit. Die Wahrheit Gottes in der Gestalt des Menschensohnes Jesus Christus.
„Die Stunde ist gekommen!“ So heißt es da gleich noch einmal. Will sagen: Hier geschieht etwas Entscheidendes, etwas Weltbewegendes, der epochale Umbruch: Gott stellt sich in der Person Jesu Christi, in seiner Macht der Liebe, gegen die oft so beherrschenden Mächte der Dunkelheit. Und er siegt gegen alle Leben verneinenden, Leben vernichtenden Mächte, gegen Zerstörung und Hass. In Jesus Christus, in seinem Kreuz, wird Gottes Herrschaft proklamiert. Ein österlicher Sieg! Wieder heißt es: „Die Stunde ist gekommen!“ Gott hat die Regie übernommen – in Jesus Christus! Jetzt ist der entscheidende Moment gekommen, für die Menschen, für die Welt.
Werden die Griechen, die Vertreter der großen Welt, die Jesus einfach nur sehen wollten, ihn verstehen? Die Frage bleibt offen. Von ihnen ist ja auch gar nicht mehr die Rede. Waren sie nur Platzhalter für uns? In dem Fall geht die Frage jetzt an uns: Können wir dieses Geheimnis des Lebens Jesu, das Geheimnis der Liebe Gottes verstehen? Können wir etwas erahnen von der großen Wende, von der neuen Wirklichkeit?
Wir werden das Geheimnis der Liebe Gottes in Jesus Christus nicht begreifen können, wenn wir sie sachlich distanziert, von außen betrachten oder sie nur von Ferne bewundern. Wir werden sie nur erfassen können, wenn wir selbst in die Gefolgschaft Jesu eintreten, in seine Fußstapfen. Wie aber? Wie kann die Stunde Jesu auch zu unserer Stunde werden? Ich lade Sie gerne zu ersten Schritten ein:
- Sooft wir uns zur Feier der Eucharistie versammeln, sooft wir sein Brot miteinander teilen und aus dem Kelch trinken, klingt seine Lebenshingabe auf. Das geteilte Brot – es gibt uns Anteil an ihm! Der Kelch mit dem Wein – er will uns zum Lebenselixier werden, zum Wärmestrom seiner Liebe, die uns durchfluten will. Dann wird es für uns spürbar: Jetzt ist die Stunde!
- Wir gehen immer auf den Karfreitag zu, und für manchen scheint der Karfreitag nie zu enden. Wir treten unter das Kreuzesbild Jesu Christi. Wir nehmen die Souveränität wahr, in der er seinen Weg gegangen ist, ganz dem Willen des Vaters ergeben. Ich wünsche uns, dass es uns gelingt, in Jesus Christus den zu sehen, der gleich dem Erbärmde-Christus in der Neumünsterkirche souverän und königlich seine Arme vom Kreuzesbalken löst, sie uns entgegenstreckt, uns umfängt, uns an sich zieht. Das ist das Bild der machtvollen und siegreichen Liebe, die er lebt und die zugleich die Liebe des Vaters ist. Dann dürfen wir entdecken: Jetzt ist die Stunde!
- Dann gehen wir durch die Nacht des Karsamstags hindurch, dem Licht des Ostermorgens entgegen. Die ersten Zeugen des Glaubens begegnen uns an diesem Morgen, Johannes und Petrus, Maria von Magdala und die anderen. Sie sagen uns: Wir haben an diesem Morgen erlebt, dass der Bote der Hoffnung, der Mann der Liebe, der Gottgesandte nicht im Tod verloren gegangen ist. Wir haben etwas vom Sieg der Liebe Gottes gespürt, dem Sieg über alles Dunkel. Und wir laden euch ein, diesem machtvollen Wirken Gottes zu trauen. Jesus Christus ist mit seinem Leben, Wirken und Tod keine Episode der Vergangenheit. Er lebt, und was er gelebt hat, das hat Kraft und Bestand. Und da gilt: Jetzt ist die Zeit!
- Und schließlich lade ich Sie ein, doch auch in Ihren Alltag hineinzuschauen, mit einem ganz aufmerksamen Blick für die Menschen an Ihrem Lebensweg. Finden Sie nicht auch so manchen, der in seinem kleinen alltäglichen Umfeld treu und tapfer die Liebe lebt und sich verschenkt? Der sich verausgabt, mit seinen Gaben und Kräften, dass durch ihn andere aufleben, aufatmen und Hoffnung fassen können? Und womöglich geht es Ihnen ja auch selbst so, dass Sie eine Hilfe geben konnten, dass Sie Zeit verschenkt und dass Sie geteilt haben – ohne Hintergedanken – und dabei entdeckten: Das macht ja wirklich reich! Das ist dann die tiefe Ahnung des Neuen, des Ewigen. Und Sie spüren: Jetzt ist die Stunde.
Ich mache mir keine Illusion: Die Welt, in der wir leben, ist noch immer stark geprägt von den dunklen, düsteren, feindseligen Kräften. Und ich spüre sie, diese alte Welt, auch in meinem eigenen Innern. Aber vor mir steht heute Jesus Christus. Er ist der Erhöhte. Erhöht freilich am Holz des Kreuzes, diesem machtvollen Thron seiner Liebe, in der er alles gab. Ich bin dankbar und froh über den neuen Anfang, den Gott in ihm gesetzt hat. Und darum: Ja, das Kreuz ist Weg zum Leben! Ausrufezeichen. Amen.
Liebe Leserinnen und Leser,
auch während des Jahres sind Sie herzlich eingeladen, „in Ihren Alltag hineinzuschauen“. Einige Möglichkeiten dazu finden Sie auch auf der Rückseite des Rundbriefs. Auf den Einkehrtag am 6. April im Schönstattzentrum möchte ich besonders hinweisen. Bitte geben Sie diese Einladungen auch an Freunde und Bekannte weiter.
Danke und Vergelt's Gott allen, die beim Versand des Rundbriefs und beim Verteilen in den Ortschaften helfen!
Mit dem Wunsch unseres Vaters Franziskus,
pace e bene, Frieden und alles Gute,
P. Maximilian M. Bauer, Präses