Auf meinem Kalenderblatt steht heute ein kleines Prosa-Gedicht von Johanna Arlt (aus: Lichtspuren im Wort, Gedichte, Karben 2012):
Zeit vergeht, sie eilt.
Sie hat keine Zeit
zu verweilen.
Aber wir dürfen verweilen
- eine Weile -
und spüren die Ewigkeit
in der Zeit,
während sie weitereilt.
Diese Gedanken haben mich angesprochen und gehen mir nicht aus dem Kopf, während ich mir Gedanken über den Rundbrief mache. Sie haben etwas Bedrängendes und etwas Tröstliches, und beidem möchte ich in meinem Rückblick auf das vergangene Jahr Raum geben.
Es ist für mich jedes Jahr ein bewegender Moment, wenn genau zum zeitlichen Mittelpunkt der Wallfahrt, am dritten Tag um 13.00 Uhr, zu Beginn der Andacht auf dem Kreuzberg die Namen der Verstorbenen des vergangenen Wallfahrtsjahres verlesen werden. Da spüre ich in mir - und meine, es bei allen Walleuten spüren zu können - wie stark jeder/jede Einzelne mit seinen/ihren lieben Verstorbenen verbunden ist. Ich ahne, welch große Erlösung den einen geschenkt wurde, die gehen durften und die wir gehen lassen konnten, weil ihre Zeit gekommen war; ich ahne aber auch, welch großer Schmerz anderen bereitet wurde, die einen lieben Menschen hergeben mussten und lange keinen Trost finden können, weil es einfach nicht zu verstehen ist, wenn ein Mensch durch Krankheit oder Unfall viel zu früh aus der Mitte einer Familie gerissen wird.
vergrößern Gelungene Erinnerung an einen gemeinsamen Weg: Am Wolfbild werden wir Jahr für Jahr von den Rimparern in besonders herzlicher Weise in Empfang genommen, bevor wir dann durch den Ort wallen, in die Kirche einziehen und den Segen empfangen, um gestärkt auch den Weg durch den Alltag gehen zu können. privat
Ich wünsche mir, dass es dann bei jedem Namen Hörerinnen und Hörer gibt, die gerne bei diesem Namen verweilen und ihn mitnehmen auf den weiteren Wallfahrtsweg. Nach jedem Rosenkranz beten wir ja ein Gesätz für unsere Verstorbenen, und das ist für mich eine gute Zeit, in der ich in meiner Erinnerung bei den Menschen verweilen kann, die in meinem Herzen und in der Gegenwart Gottes weiterleben.
Aber wir dürfen verweilen
Zwei Namen möchte ich hier nennen, denen wir uns als Bruderschaft zum Heiligen Kreuz Würzburg besonders verbunden wissen. Am 25. September verstarb unser langjähriger Präfekt, Herr Karlheinz Greser, am 5. Dezember unsere ehemaliger Pilgerführer, Herr Albert Boll. Beiden Vorstandsmitgliedern hatten wir für ihre Verdienste um die Wallfahrt und die Bruderschaft als Zeichen unserer Dankbarkeit die Bruderschaftsmedaille verliehen; in den letzten beiden Rundbriefen haben wir dies auch mit Bildern zum Ausdruck bringen können. Für beide sind wir dankbar, dass sie unter uns verweilen durften - eine Weile - und vertrauen darauf, dass sie in der Ewigkeit Gottes geborgen sind.
Zeit vergeht - 25 Jahre!
Wie schnell auch für mich persönlich die Zeit vergeht, durfte ich besonders im vergangenen Jahr erleben - und feiern! Am 7. Mai 1988 hatte mich Weihbischof Engelbert Siebler aus München durch Handauflegung und Gebet zum Priester geweiht. Damals war unsere Franziskanerkirche in Würzburg Baustelle, darum fand die Weihe in der Wallfahrtskirche Maria Hilf in Schwarzenberg statt. Auch 25 Jahre später war die Franziskanerkirche wieder Baustelle - und somit zu klein, um mein Priesterjubiläum im großen Kreis feiern zu können. Am Weihetag wollte ich darum nur im Kreis meiner Konventsfamilie feiern, vielleicht noch ein paar Geschwister aus der Heimat...
Aber ich hatte nicht mit den Mitgliedern der Vorstandschaft der Kreuzbruderschaft gerechnet! Sie ließen es sich nicht nehmen, am 7. Mai zur Abendmesse in unsere Valentinuskapelle zu kommen, wo wir zu Ehren des hl. Antonius einen Novenengottesdienst feierten, und darin auch mein Jubiläum. Und weil tatsächlich auch einige meiner leiblichen Geschwister zum Mitfeiern gekommen waren, wurde bei der anschließenden Rekreation von den anwesenden Vorstandsmitgliedern beschlossen, im Herbst nach Oberbayern zu fahren, wenn ich mit meiner Heimatpfarrgemeinde das Jubiläum nachfeiern wollte.
vergrößern Einige Vorstandsmitglieder mit Anhang und der Jubilar im Pfarrhof von Schwindkirchen; im Hintergrund die Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt privat
So kam es, dass sich am 14. September eine Gruppe aus Würzburg und Umgebung auf den Weg in mein Heimatdorf Wasentegernbach machte. Sie wurde dort von meinen Geschwistern in Empfang genommen, bei Gastfamilien im Ort untergebracht und mit einigen schönen Flecken und Kirchen meiner Heimat vertraut gemacht. Ich selber konnte erst am Abend nachkommen und gerade noch miterleben, wie sich die Gruppe mit dem Einüben des Frankenliedes auf den kommenden Tag einstimmte.
Am 15. September durften wir dann gemeinsam feiern. Das Pfarrverbandsfest mit dem kurz zuvor eingeführten neuen Pfarrer begann mit einem feierlichen Gottesdienst in der Pfarrkirche, in der ich (vor 54 Jahren) auch getauft wurde und 1969 zur Erstkommunion ging. Musikalisch wurde die Feier umrahmt mit Taize-Gesängen für Gemeinde, Chor und Orchester, die erstmalig zur Aufführung gelangten. Die Predigt hielt P. Leopold Mader OFM Conv., ein Mitbruder aus Würzburg, der lange Jahre im Konvent Maria Eck wirkte und mit seinen Gedanken die Herzen seiner Zuhörer erreichte. Anschließend ging es in den ehemaligen Pfarrstadl, heute Wolfgang-Meier-Haus, benannt nach einem Landwirt aus der Pfarrei, der wegen seines Widerstands gegen das Nazi-Regime verhaftet und im KZ Dachau umgebracht worden war.
vergrößern Auf die Melodie des Frankenliedes brachte die Kreuzbruderschaft mit humorvollen Versen ihre Verbundenheit mit dem Jubilar zum Ausdruck privat
Im Pfarrstadl war für Speis und Trank bestens gesorgt, und hier hatten die Würzburger auch ihren großen Auftritt: Auf die Melodie des Frankenliedes brachten sie mit humorvollen Versen ihre Verbundenheit mit dem Jubilar zum Ausdruck, darin enthalten der Wunsch, dass es noch viel gemeinsame Zeit und Engagement für die Kreuzbruderschaft geben möge. Ja, so Gott will, darf ich heuer zum 20. Mal die Wallfahrt zum Kreuzberg begleiten, und am 1. September jährt sich zum 20. Mal der Tag der Ernennung zum Präses der Bruderschaft zum Hl. Kreuz Würzburg.
Carpe diem - nutze die Zeit!
So steht es zwar nicht in dem eingangs zitierten Gedicht, doch wissen wir alle, dass uns nur eine gewisse Spanne Zeit bleibt, um unseren Auftrag zu erfüllen. Dazu gehört auch die Arbeit für das Reich Gottes, ob als Priester oder als Mitglied der Kreuzbruderschaft. Wie dies aussehen kann, hat uns der dänische Religionsphilosoph Sören Kierkegaard aufgezeigt. Sein Wort kann uns ein Wegweiser durch die kommende Zeit sein:
Jesus will keine Bewunderer, er braucht Nachfolger. Die Bewunderer rühmen die großen Taten Jesu in der Welt von gestern. Die Nachfolger wissen, dass Jesus in der Welt von heute anwesend sein will.
Die Bewunderer gehen einer letzten Entscheidung für Jesus geschickt aus dem Wege. Die Nachfolger verbinden ihr Schicksal vorbehaltlos mit dem Schicksal Jesu.
Die Bewunderer sind heute begeistert von Jesus und morgen von einem anderen. Die Nachfolger können ihren Herrschaftswechsel nicht mehr rückgängig machen.
Die Bewunderer fragen: Was habe ich von Jesus? Die Nachfolger fragen: Was hat Jesus von mir?
Die Bewunderer sonnen sich gern und oft im Glanz Jesu. Die Nachfolger wenden sich gern und willig dem Elend der Welt zu.
Nein – Jesus will keine Bewunderer, auf die kann er gern verzichten – auf Nachfolger nicht.“
vergrößern Der Jubilar mit einem kleinen Teil seiner Großfamilie... privat„Zeit zum Danken“
Ich bin in meinem Jubiläumsjahr reich beschenkt worden: mit guten Wünschen, mit Liedern von meinen Quartiergebern Zenzi und Elmar im Gottesdienst in Burkardroth, nicht zuletzt mit einem Tag „geschenkte Zeit“ des Vorstands der Bruderschaft: Wir wallten hinauf zum Zeiler Käppele, erholten uns im Biergarten und lernten den Kreuzweg von Breitbrunn kennen. Die Figuren und Szenen wurden aus bruchrauen Findlingen aus den umliegenden Steinbrüchen herausgearbeitet und meisterhaft in die reizvolle Landschaft eingebettet. Das Breitbrunner Ehepaar Zettelmeier ging mit uns betend, meditierend und informierend diesen beeindruckenden Weg.
Für all das möchte ich Danke sagen, besonders auch allen Helferinnen und Helfern beim Versand und Verteilen dieses Rundbriefs.
Mit dem Wunsch unseres Vaters Franziskus,
pace e bene, Frieden und alles Gute,
P. Maximilian M. Bauer, Präses